Humboldt-Universität zu Berlin - Bereich Familiengerechtigkeit

Pflege und Selbstpflege

Zehn Schritte zu mehr Freiräumen für pflegende Beschäftigte

Eine Pflegesituation ist eingetroffen – und damit eine Herausforderung, die im besonderen Maße Ihrer Zeit und Kraft bedarf. Die Situation kann so vereinnahmend sein, dass Sie Ihre eigenen seelischen und körperlichen Bedürfnisse zurückstellen. Mit den folgenden Tipps möchten wir Sie motivieren, nicht nur den für Sie passenden Weg der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege einzuschlagen, sondern auch auf Ihre Selbstpflege zu achten. Fangen Sie daher jetzt an, sich die richtigen Fragen zu stellen.

 

1. Suchen Sie das Gespräch und lassen Sie sich beraten
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Wer ist schon auf einen Pflegefall gut vorbereitet? Niemand, wenn man nicht bereits Erfahrungen gesammelt hat oder ein Pflegeprofi ist. Deshalb ist es auch völlig legitim, sich Rat zu suchen – das gilt für die Pflegepraxis genauso wie für die Auswirkungen auf Ihre berufliche Tätigkeit.

Sprechen Sie das Familienbüro an, wir geben Ihnen Tipps zu Informationsveranstaltungen, Anlaufstellen, Arbeitsorganisation und Arbeitszeitgestaltung.

Nutzen Sie bitte auch die zahlreichen Angebote der BWB und des Hochschulsports,  beispielsweise zu Selbst- und Zeitmanagement oder zur Rückenstärkung.

Nehmen Sie aber vor allem auch professionelle Hilfe in Anspruch (siehe „Verstehen Sie Pflege auch als Kooperationsaufgabe“).

2. Schätzen Sie die Pflegesituation und deren Entwicklung ein
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Wann und in welcher Form ein Pflegefall eintritt, ist i.d.R. nicht genau zu prognostizieren. Meistens entsteht die Notwendigkeit der Pflege unvorhergesehen. Die drängendste Frage ist nun: Was kommt auf Sie zu?

Es ist daher wichtig, die Pflegesituation richtig einschätzen zu können – aktuell und auch perspektivisch: Wie ist der Gesundheitszustand der*des zu Pflegenden momentan? Welche Prognosen sind für 1 bis 5 Jahre abzugeben? Welcher Pflegebedarf ist da? Wie wird sich das Ausmaß der Pflege voraussichtlich entwickeln?

Bei der Beantwortung dieser Fragen helfen Ihnen Profis: Mediziner*innen und Pflegefachkräfte. Lassen Sie sich von diesen möglichst gut aufklären.

3. Machen Sie sich das Aufgabenspektrum klar
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Pflege hat viele Facetten. Die Fürsorge für ältere Angehörige („Elder care“), einer*s pflegebedürftigen Partners*in oder Kindes geht weit über die Leistungen der Pflegeversicherung hinaus. Sie umfasst Hilfe- und Unterstützungsleistungen, die auch folgende Aspekte betreffen:

• Hilfe im Haushalt

• Unterstützung bei Finanzfragen

• Finanzielle Unterstützung

• Organisation von Pflege

• Emotionale/psychologische/soziale Bedürfnisse

• Mobilität

• Gesundheitsbedürfnisse

• Physische/persönliche Bedürfnisse

All das erfordert Zeit und Kraft. Fragen Sie sich ganz offen: Haben Sie diese Zeit? Haben Sie ausreichend Energie, um diese Aufgaben zu leisten? Bei der Beantwortung kann Ihnen die Berücksichtigung der Aspekte im nächsten Punkt helfen.

4. Begreifen Sie Pflege richtig
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Können und wollen Sie pflegen? Welche Aufgaben können Sie leisten? Wie lange können Sie diese leisten?

Machen Sie sich u. a. klar: Die Dauer der Pflege nimmt aufgrund der medizinischen Versorgung zu. 1997 z. B. lag sie in rund 70 % der Pflegefälle bei weniger als 1 bis unter 5 Jahre und belief sich bei etwa 30 % auf 5 bis mehr als 10 Jahre. 2009 dauerte die Pflege in über 40 % der Fälle 5 bis mehr als 10 Jahre (vgl. Statistisches Bundesamt 2010). Was könnte das für Sie bedeuten?

5. Führen Sie sich die Gründe, aus denen Sie pflegen, deutlich vor Augen
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Denn diese bestimmen Ihre Einstellung zur Pflege und beeinflussen Ihre Motivation und ggf. auch Kraftreserven. Einer Umfrage der Techniker Krankenkasse zufolge pflegt knapp die Hälfte der Pflegepersonen aus Pflichtgefühl bzw. Familienzusammenhalt. Knapp 20 % nennen pragmatische Gründe wie „Kein anderer hat Zeit“ oder „Ich wohne in der Nähe“. Für 17 % spielen Mitgefühl und Hilfsbereitschaft eine ausschlaggebende Rolle. Ebenfalls 17 % nennen emotionale Bindung, Liebe und Vertrautheit.

6. Versuchen Sie, die Effekte der Pflege auf sich selbst einzuschätzen
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Pflege kann teilweise bereichern: Sie kann Sie z. B. in Geduld, Mitgefühl und Ausdauer schulen. Vor allem kann sie Sie aber lehren, Grenzen zu setzen. Denn Pflege ist eine kräftezehrende Aufgabe, insbesondere bei Demenz. Mit dem Schweregrad des Pflegezustands nimmt die Belastung zu. Ein Stressfaktor ist z. B. für viele Pflegenden, dass sie das Gefühl haben, ständig in Bereitschaft sein zu müssen.

Pflege hat also psychische und soziale Effekte: Sie kann zu mentaler Erschöpfung, erhöhtem Stress, zu Frustration, Isolation und auch Problemen in der Beziehung zu der zu pflegenden Person sowie dem Umfeld führen.

Belastet die Pflege die Beziehung zu der zu pflegenden Person? Leiden Kontakte zu Freund*innen und Bekannten?

Die psychische Belastung kann enorm sein: Laut DAK-Pflege-Report 2015 haben 55 % der Pflegenden psychische Probleme, 20 % leiden dabei an Depressionen. Angst- und Schlafstörungen können ebenfalls häufig auftreten.

Heben, stützen, tragen – all diese Tätigkeiten fordern den Körper der Pflegeperson. Muskel-Skelett-Erkrankungen treten bei 16 % der Pflegenden auf. Rückenschmerzen sind typische Belastungsanzeichen.

7. Finden Sie ausreichend Ausgleich – geistig und körperlich?
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Lässt sich Stress abbauen, indem Sie sich ausreichend Pausen gönnen? Können Sie sich noch Freiräume für ein Hobby und Treffen mit Freunden schaffen? Haben Sie die Möglichkeit, Sport zu treiben oder wenigstens Bewegungsübungen einzuschieben?

8. Verstehen Sie Pflege auch als Kooperationsaufgabe
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Versuchen Sie, Verantwortung und Aufgaben im verträglichen Maße wahrzunehmen. Es ist die Regel, dass eine Person hauptverantwortlich für die Pflege ist, was aber absolut kein Muss ist. Sollten Sie diese Person sein, vergegenwärtigen Sie sich: Sie tragen nicht nur die aktive Hauptlast, Sie werden auch für die Entwicklung des Zustands der*des zu Pflegenden verantwortlich gemacht. Eine große Belastung!

Wollen und können Sie diese Belastung tragen? Können Sie ggf. ein partnerschaftliches Modell der Pflege finden?

9. Teilen Sie die Pflege
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Im besten Falle stehen Ihnen Verwandte, Freund*innen oder Nachbar*innen bei der Bewältigung der vielfältigen Pflegeaufgaben zur Seite.

Öffnen Sie sich professionellen Angeboten und spezialisierten Einrichtungen: Ärzt*innen bei medizinischen Fragen, Pfleger*innen für praktischen Rat, (Tages-)Kliniken,  Kurzzeitpflegeeinrichtungen, Pflegeberater*innen (Pflegekasse, Pflegestützpunkte, Caritas oder Diakonie etc.) für Informationen zur Unterstützung vor Ort und zu rechtlichen Aspekten. Nutzen Sie auch Angebote ehrenamtlicher Organisationen und von Selbsthilfegruppen (bei bestimmten Erkrankungen).

10. Fragen Sie sich nicht zuletzt: Was bedeutet Pflege für meine berufliche Tätigkeit?
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Alleine werden Sie diese Frage nicht beantworten können – und auch keine Unterstützung erfahren. Suchen Sie z. B. das Gespräch mit Ihrer*Ihrem direkten Vorgesetzten, dem Familienbüro, dem Personalrat oder der Personalabteilung. Schildern Sie Ihre Situation und verdeutlichen Sie die von Ihnen wahrgenommenen Herausforderungen. Gemeinsam können Sie dann eruieren, wie Sie Ihre beruflichen Aufgaben mit denen der Pflege in Einklang bringen.

Nehmen Sie den Arbeitgeber dauerhaft ins Boot – denn Pflege verändert sich im Laufe der Zeit. Ein veränderter Gesundheitszustand kann neue Herausforderungen mit sich bringen. Teilen Sie Entwicklungen und damit veränderte Bedarfe mit, denn nur dann können Sie gemeinsam Lösungen zur Entlastung finden.