Interview zum Studium in Dänemark
Lotte studiert zum Zeitpunkt des Interviews (Februar 2017) seit sieben Semestern Skandinavistik im Hauptfach. Sie hat im Rahmen des Erasmus-Programms ein Jahr mit ihrem Freund und ihrem gemeinsamen 2-jährigen Sohn in Kopenhagen gelebt. Im Interview erzählt sie von ihren Vorbereitungen, dem Leben als Eltern in Dänemark und was sie heute anders gemacht hätte.
Ist Dänemark wirklich so ein familienfreundliches Land wie immer erzählt wird oder sieht der Alltag dann doch anders aus?
Lotte: (lacht) Ich weiß nicht, wie das erzählt wird, aber für meinen Teil kann ich sagen, dass ich mich als Mutter dort gut aufgehoben gefühlt habe. Was mir direkt auffiel war, wie deutlich Kinder im Stadtbild präsent sind, sei es auf der Straße, in Cafés oder im Park. Unsere größte Sorge war ja, dass wir keinen Kindergartenplatz finden, oder keine Wohnung für uns drei. Beides aber war nach kurzer Zeit schon gefunden.
Wie kommt das?
Es gibt die University of Copenhagen Housing Foundation, das ist eine Organisation, die im Auftrag der Uni Wohnungen für internationale Studierende bereitstellt. Nach der Bestätigung aus Kopenhagen hatten wir dort angerufen. Als wir erwähnten, dass wir mit Kleinkind kommen, hat man direkt eine familiengerechte Wohnung für uns zurückgestellt. Mittlerweile steht auf deren Webseite, dass es diese Wohnung leider nicht mehr gibt. Aber ich denke, dass ein Anruf sich trotzdem lohnen kann und dass die Mitarbeiterinnen vielleicht einen Tipp haben. Es lohnt sich aber auch, die Seite von Kollegiernes Kontor anzuschauen. Dort werden ebenfalls Wohnungen für Studierende mit Kind angeboten, nur muss man sich früh auf die Warteliste setzen lassen.
Und wie habt ihr die Kindergartensuche erlebt?
Anders als bei uns in Berlin werden Kitaplätze zentral von der Stadt vergeben. Wir sind direkt, nachdem wir in der Stadt gemeldet waren, bei der zuständigen Behörde (pladsanvisning) gewesen und haben uns auf die Wartelisten von Kitas in unserer Nähe setzen lassen, die wir davor besucht hatten. Glücklicherweise sind wir schon im Juli nach Kopenhagen gezogen, denn die meisten Kinder starten erst im August oder September in die Kita, sodass wir direkt Plätze in zwei Kindergärten angeboten bekamen.
Gab es hinsichtlich der Sprache Probleme?
Der Kindergarten hatte einen integrativen Schwerpunkt, was bedeutet, dass die Erziehenden schon darauf eingestellt und geschult sind, dass die meisten Kinder kein Dänisch zu Hause sprechen. Unserem Sohn gefiel es dort und wir hatten das Gefühl, dass er trotz der anfänglichen Sprachbarriere gut dort reingefunden hat. Aber auch sonst wird das meiste in Kopenhagen auch auf Englisch ausgeschildert und die meisten sprechen sehr gutes Englisch.
Konntest du gut Anschluss finden in der Uni? Gab es dort auch andere Eltern?
Ich habe noch vor der Vorlesungszeit einen Intensiv-Sprachkurs gemacht, wo ich viele andere Erasmus-Studierende kennengelernt habe. Der Sprachkurs war umrundet von gemeinsamen Ausflügen und Freizeitaktivitäten, an denen ich teilgenommen habe, während mein Freund und mein Sohn zu Hause blieben. Bei manchen Ausflügen habe ich die beiden mitgenommen, das war kein Problem. Dadurch konnte ich schnell Anschluss finden.
Im Sprachkurs habe ich eine andere Mutter kennengelernt und dann kam raus, dass wir in derselben Straße wohnen und beide Erasmus machen. Die Kinder waren im selben Alter, sodass wir viel zusammen unternommen haben. Ansonsten sind mir kaum andere Eltern begegnet.
Gab es Unterstützung von Seiten der Gastuniversität?
Nicht wirklich. Eltern können bei uns an der HU ja für ihre Prüfungen familiär bedingt eine Fristverlängerung beantragen, wenn zum Beispiel die Kita streikt. Außerdem gibt es in den Bibliotheken und Instituten Eltern-Kind-Räume und bei Fragen kann man sich an das Familienbüro wenden. All das war dort völlig unbekannt und ich habe vergebens nach Informationen im Sekretariat oder auf deren Webseite gesucht.
Wie bist du mit dem Studium und dem Workload zurechtgekommen?
Die Uni in Kopenhagen bietet meist nur 15 oder 7,5 ECTS-Kurse an. Ich habe mit meinem Institut im Learning Agreement ausgemacht, dass ich pro Semester 22,5 ECTS umsetze und daraufhin habe ich mir Kurse herausgesucht, die mich interessierten. Die Uni bietet viele Kurse für Erasmus-Studierende an, und obwohl die Kurse 15 Punkte gaben, ließen sie sich gut schaffen. Meist bestand solch ein Kurs aus einem zweistündigen Seminar, zwei bis drei Tagesexkursionen und wöchentlichen Lese-Hausaufgaben.
Wie teuer ist das Leben in Kopenhagen und wie bist du damit zurechtgekommen?
Es stimmt schon, dass die Lebenshaltungskosten enorm sind im Vergleich zu Berlin. Ich habe mal gelesen, dass die Universität ihren internationalen Studierenden empfiehlt, mit 1.000 Euro monatlich zu rechnen. Dem kann ich mich anschließen. Bei uns kamen noch Kitagebühren (die sind immer einkommensabhängig) und sonstige Verpflegung für unser Kind hinzu.
Anfangs waren wir etwas schockiert über die Preise, besonders bei Essen und Trinken auswärts. Aber nach und nach haben wir auch günstige Orte entdeckt und unsere Gewohnheiten verändert: Wir fuhren alle Rad statt eine Monatskarte zu lösen oder wir haben zu Hause gekocht und unser Mittagessen in Tupperdosen mitgenommen anstatt in der Mensa zu essen. Dort duftet es zwar wirklich gut, aber mit 7 Euro pro Mahlzeit war es dann doch zu teuer.
Was nimmst du vom Jahr mit? Was hättest du heute anders gemacht?
In Kopenhagen habe ich vieles zum ersten Mal gemacht, zum Beispiel bin ich statt mit den Öffentlichen immer mit dem Rad gependelt. Dadurch habe ich gemerkt, wie anders ich eine Stadt wahrnehmen kann. Zurück in Berlin versuche ich ebenfalls noch viel mit dem Rad zu fahren, was ich davor nicht gemacht habe.
Was ich gerne vorab gewusst hätte, ist, dass alle Bürgerinnen und Bürger Dänemarks automatisch kostenlos krankenversichert sind. Das geschieht automatisch, wenn man sich beim Bürgeramt anmeldet. Ich habe nämlich zuvor für uns eine Auslandskrankenversicherung abgeschlossen, die ich mir im Nachhinein ruhig hätte sparen können.
Das Interview führte Filip Mitrovski, studentischer Mitarbeiter des Familienbüros.
Links
Wohnheime für Studierende in Kopenhagen (Kollegiernes Kontor)